Samstag, 4. März 2017
ich will keinen Abschied...
Wie er da liegt, so dünn, klein und einsam. Was sag ich ihm, Tschüss Papa. Ich will endlich aufwachen. Wir können ihn da nicht alleine lassen. Irgenwann gehen wir wieder. Irren im Krankenhaus herum, zurück zur Station. Fragen, keiner kann uns sagen wann genau, wie, alleine oder war jemand bei ihm? Wieso hat uns keiner gesagt daß es ¨jetzt¨ passieren wird, wir wären bei ihm gewesen, meine Mama wird sich das ihr Leben lang nicht verzeihen. Immer wieder redet sie davon, hätte ich bei ihm sein können.
Die Reisetasche wird mit übergeben, ich muß unterschreiben daß ich alles bekommen habe was Papa noch bei sich hatte. Zum Teufel, soll ich jetzt die Tasche durchwühlen? Ich unterschreibe den Wisch, Mama soll nichts mitbekommen. Irgendwie hab ich das Gefühl, sowas passiert zum Ersten mal in diesem Krankenhaus, alle lächeln verlegen, schauen einen nicht direkt an. Jetzt müssen wir noch in das kleine Zimmer, die ¨Abmeldung¨ entgegennehmen, ich denke die sind vollkommen bescheuert. Mein Bruder und ich gehen rein, ich sehe auf dem Bildschirm, eingeliefert am ..... entlassen am, wegen ¨gestorben¨
Das geht nicht mehr in meinen Kopf, ich pack das alles nicht. Ist das wirklich alles, so ein Wischzettel? Damit ist der Fall für die erledigt? Nein Nein Nein. Wie soll das alles weitergehen.
Er fehlt, er fehlt, Papa du fehlst so sehr. 9 Tage später müssen wir Papa beerdigen. So einen Tag will ich nie nie nie wieder erleben müssen.

Es ist Mittwoch, 19. Oktober. Vormittags treffen die Verwandten im Elternhaus ein. Die meisten davon hab ich zuletzt bei der Hochzeit meines Bruders gesehen, vor 18 Jahren! Ich stehe draußen um alle einzuweisen, wo einparken, und zu begrüßen. Gedrücke, Tränen, komische Blicke, bitte, geht alle wieder und ich werde endlich wach. Ich will das nicht. Das Haus ist voll, Mama ist total in Trance, begrüßt, bedankt sich, bittet uns Kinder sich um alle zu kümmern, haben alle was zu Trinken? Essen? Wir alle gehen im Haus rum, bedienen Leute die wir lange nicht gesehen haben, die sich nicht gekümmert haben als Papa so krank war. Selten waren die Anrufe, ohne Halt die Worte am Telefon.

Irgendwann sind wir dann am Friedhof. Dieses Wort gibt es bei mir sonst nicht mehr, ich sage immer, ich fahre jetzt zu Papa! Das ist nicht so schmerzhaft für mich.

Bei uns am Land ist das eben so daß es eine Einseegnung gibt. Alle die den Verstorbenen kannten können kommen und sich verabschieden. Ich hab Angst daß wenige Leute kommen, er war lange Zeit nicht mehr unter den Leuten, die hatten ihn genervt, er ist dann immer unser kleiner Grummel gewesen.

Es gibt wahnsinnig viele Blumen, Kränze, Gestecke .... unglaublich. Unsere Kränze stehen vorne bei Papa. Ein Bild von ihm, Kerzen. Alles was wir ausgesucht haben. Sehr würdevoll und wunderschön. Darf man da wunderschön sagen? Erstmal haben wir alleine Zeit alles aufzunehmen, uns zu verabschieden, uns zu sammeln. DIe Leute kommen rein, die Verwandtschaft. Und dann soviele, soviele Menschen, aus dem Ort, einige kenne ich gar nicht, es wird sich angestellt und so liebevoll bei Papa verabschiedet. Ich bin so so stolz auf meinen Papa! Soviele Menschen kommen um diesem Mann ¨Pfiati Franz¨ zu sagen. Bürgermeister, der Vize, alle möglichen Leute vom Ort.
Der Familie, uns, wird natürlich kondoliert. Hände drücken, nochmal, nochmal, ich will gar nicht aufsehen wem drücke ich da die Hand. Ich will nur traurig sein, einfach losweinen und schreien, endlich den Schmerz rausbrüllen. Das hab ich bis heute nicht geschafft.

Es ist alles so gut organisiert. Leise Musik, Stefan Mross - Heimwehmelodie. Und noch ein Lied, ich habs ausgewählt, ich weiss es nicht mehr! Ich hoffe es fällt mir noch ein.

Langsam wird Papa nun rausgetragen, draussen gefahren, zu seinem Platz. Den Grabstein hat er noch selber ausgesucht. Der Waldviertler Naturstein. Der Moment vor dem ich die allergrößte Angst hab, bei meiner Oma damals war das so fürchterlich, brutal, endgültig, schrecklich.... Papa wird hinabgelassen, der Erste im Familiengrab.

Verabschieden. Mama zuerst. Rote Rosen stehen bereit in einer Vase, solange welche da soll jeder eine nehmen und zu Papa werfen können. Meine Schwester und ich haben jeweils einen Brief geschrieben, Worte an Papa. Was ich ihm niemals gesagt habe, ich liebe dich, ich bin stolz auf dich.... keine Worte die in unserer Familie verwendet werden. Leider. Mein Gott, er ist soweit da unten, wieso so weit weg?? Schrecklicher Anblick, keine Zeit darüber nachzudenken, wieder händeschütteln, Worten lauschen. Danke sagen. Ich freue mich auf den Augenblick alleine bei Papa sein zu können.

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